Neuigkeiten
Gott spricht: Siehe, ich mache alles neu (Offb. 21,5)
Wenn Gott liefert:
Warum das Neue mehr ist als nur aufgepimpt
Alles neu!
Neu. Drei Buchstaben mit sehr großer Wirkung: Neu anfangen. Neu denken. Neu hoffen. Neu kaufen. Das klingt verheißungsvoll – und auch herausfordernd. Denn neu heißt nicht nur: besser. Es heißt auch: loslassen. Abschied nehmen. Veränderung wagen.
Neu ist kein Update, sondern ein Umbruch. Manchmal ein Umbruch mit Ansage, manchmal einer mit Überraschung.
Neu. Dieses Wort ruft Bilder wach. Von Neuanfängen in Schule oder Beruf, im Ehrenamt, in einer Beziehung, in Freundschaften, vom Umzug in eine neue Stadt. Von der ersten eigenen Entscheidung, die zählt. Von der einen Nachricht, die alles verändert. Und vom Warten. Denn das Neue lässt sich nicht erzwingen.
Neu. Das klingt doch fast zu schön, um wahr zu sein. Wie mag diese Jahreslosung wohl in Kriegs- oder Krisengebieten gelesen werden? In der Ukraine, im Gazastreifen, in Myanmar oder dem Niger? Als Trostwort oder mehr als Provokation. In einer Mischung aus Hoffnung, Trauer, Resignation und Wut?
Neu, das ist anders als ein Update, ein Upgrade oder ein Facelift. Auch viel mehr als eine Rundumerneuerung, obwohl beispielsweise „refurbished“ Smartphones durchaus zu empfehlen sind. Überhaupt ist das eine gute Frage: muss alles immer neu sein? Zugleich ist und bleibt dieses Erlebnis herausragend, etwas Neues zu öffnen, auszupacken, das Preisschild zu entfernen.
A propos „alles“, das kann doch nicht euer Ernst sein, liebe Kommission, die die Jahreslosung auswählt. Das nervt. Immer alles: alles aus Liebe, alles prüfen, alles neu. Geht auch mal „nicht alles“?
Wobei dieses „alles“ bei der Liebe (Jahreslosung 2024: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“) und beim Prüfen (Jahreslosung 2025: „Prüft alles und behaltet das Gute“) in gewisser Weise mühevoll, mit Anstrengung versehen ist.
Bei der Jahreslosung 2026 klingt eine Verheißung an und die Rollen sind klar verteilt. Gott macht alles neu, nicht wir Menschen, nicht ich.
Zugegeben: Alles neu – das ist schon eine sehr starke Botschaft. Auch wenn sie mit Warten verbunden ist und das fällt bekanntlich vielen Menschen aus allen Generationen schwer, oft sogar erheblich. Warten ist mühsam. Gerade in einer Gesellschaft, die oft vorgibt, dass alles sofort verfügbar sein muss. Insbesondere der Einkauf im Internet hat unsere Erwartungen zu Liefergeschwindigkeiten massiv verändert. Wir sind dabei nicht ausdauernder geworden. Vielmehr ertappt man sich manchmal schon fast dabei, nach einer Bestellung am Samstag am Sonntag enttäuscht zu sein, wenn die Lieferung noch nicht erfolgt ist.
Warten ist noch stärker. Wir, nicht nur junge Menschen, warten auf eine bessere Zukunft, auf Anerkennung, auf Frieden in der Familie, auf einen Schulabschluss mit Perspektive. Eben auf etwas, das bleibt. Das trägt.
Der christliche Glaube lebt von der Spannung zwischen dem "Schon jetzt" und dem "Noch nicht". Das Neue ist verheißen – aber nicht verfügbar. Und genau darin liegt die Kraft der Hoffnung.
Nun ist es für die meisten unter uns alles andere als einfach zu warten. Die tägliche Übung vieler im ÖPNV oder im Stau zur Rushhour z.B. macht dies deutlich. Warten bedeutet übrigens nicht, passiv zu sein. Vielmehr hat er oder sie die Erwartung, dass sich das Warten auflöst, weil sich einstellt, worauf gewartet wird oder der Verkehr wieder fließt etc. Ich formuliere deshalb: auch wer wartet ist aktiv. Wartende Menschen sind Menschen der Sehnsucht. Sie halten sich wach für das, was kommen soll. Die Jahreslosung lädt dazu ein, diese Sehnsucht als geistliche Haltung zu pflegen – besonders in der Jugendarbeit: als Menschen, die nicht müde werden zu hoffen, weil sie Gott vertrauen.
Über dem Jahr 2026 steht dieses Verheißungswort Gottes. Eine Verheißung für unser Leben, für unsere Gemeinden und für unsere Welt. Weil Gott verspricht, dass er eben nicht nur ein paar Dinge, sondern „alles“ neu machen wird.
„Siehe, ich mache alles neu“ - Biblisch-exegetische Überlegungen
Das Buch der Offenbarung ist und bleibt geheimnisvoll und vielfältig. Ein Trost- und Hoffnungsbuch, das spektakuläre Bilder liefert, ein herausforderndes Geschehen beschreibt, bedrängend ist in seinen Ausführungen und in dem sich am Ende das Gute durchsetzt. Was wie nach den Inhalten eines Blockbusters klingt, beschreibt die inhaltliche Bandbreite des letzten Buches der Bibel. Über allem steht Gottes Hoffnungsperspektive und zwar für seine Gemeinde, für die bedrängte Urchristenheit, die in den Sendschreiben der Offenbarung in Kapitel 2 und 3 sehr konkret und unmittelbar als Ortsgemeinde beschrieben wird. Er macht alles neu, wischt Tränen ab (Offb 21,4) Die aufgezeigte Hoffnungsperspektive zeigt zugleich: es ist noch nicht so weit. Offenbarung 21 beschreibt das neue Jerusalem mit dieser unglaublich eindrücklichen Trostperspektive. Gott wird ein Neues schaffen, in dem kein Platz mehr sein wird für Leid, den Tod, Geschrei oder Schmerz.
Eine bewusst und gut gewählte Anpassung des Originaltextes
Die Jahreslosung weicht in der gewählten Formulierung etwas vom ursprünglichen Text ab. „Der auf dem Thron sitzt“ ist in Offenbarung 21,5 zu lesen. Das würde die Jahreslosung sperrig machen, nur schwer verständlich. Deshalb ist die Entscheidung der Kommission nachzuvollziehen, dass sie angepasst formuliert und dabei den Kontext von Johannes 21 berücksichtigt. „Der auf dem Thron sitzt“ könnte zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung erhebliche Irritationen auslösen. Denjenigen, die sich intensiver mit der Jahreslosung beschäftigen wollen, eröffnet der Hinweis auf die ursprüngliche Formulierung oder die Lektüre des Kontextes der Jahreslosung die Gelegenheit zu einer intensiveren Beschäftigung mit verschiedenen Gottesdarstellungen bzw. Gottesbildern in der Bibel. Der dreieinige Gott in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen ist und bleibt geheimnisvoll, faszinierend und durchaus ambivalent. Wenn der Menschensohn Jesus von Nazareth zur Rechten Gottes sitzt oder als Alpha und Omega, Anfang und Ende bezeichnet wird.
Die Verheißung, man kann auch sagen, das Versprechen Gottes, alles neu zu machen ist nachhaltig und besonders kraftvoll, weil der Seher Johannes einen unmittelbaren Schreibauftrag erhält. Unmittelbar im Anschluss an die Jahreslosung ist zu lesen „Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss“ (Offb. 21,5)
Johannes wird beauftragt, jenes schöpferische Wort aufzuschreiben. Gott repariert oder optimiert nicht. Er macht neu Alles neu. Wie er einst sprach „Es werde Licht“ (1. Mose 1) spricht er jetzt „Ich mache alles neu.“ Weil Gott spricht, wird es geschehen. Gott will und wird nicht einfach nur etwas verbessern, sondern radikal erneuern – mit einer Kraft, die allein ihm zusteht. Während wir Menschen mit unseren Mitteln oft nur versuchen, Bestehendes zu verbessern, verkündet Gott eine völlige Neuschöpfung. Das Alte vergeht – selbst das Gute und Liebgewonnene. Was kommt, ist nicht das Optimierte, sondern das absolut Neue.
Alles wird neu
Die vorhergehenden Verse führen aus, womit dieses Neue verbunden sein wird: Gott wird unmittelbar bei den Menschen wohnen (21,3). Er wird alle (!) Tränen abwischen (21,4), der Tod wird nicht mehr existieren, es wird kein durch Not und Leiden ausgelöstes Geschrei oder Schmerzen geben (21,4). Alles, was seinen Geschöpfen bisher Mühe macht, wird der Schöpfer von ihnen nehmen und verwandeln in ein Neues, das phänomenal anders ist. Diese Trost- und Hoffnungsperspektive gilt bereits jetzt Inmitten von Katastrophen, Kriegen, Krisen, Klimawandel usw. Gottes schöpferisches, kraftvolles Wort wird alles vollumfänglich erneuern. Zu seiner Zeit.
Offb 21,5 knüpft an 2 Kor 5,17 "wenn jemand in Christus ist, ist er eine neue Kreatur" wie auch an Jes 65,17 "denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen" an und führt sie weiter. Offenbarung 21 ist der große finale Resonanzraum dieser Zukunftsperspektive Gottes für seine Schöpfung, die zugleich ihre einzige Zukunftshoffnung ist.
Diese Zusage verändert den Blick auf die Welt: trotz der Klimakrise, vielfacher Verwüstung durch Kriege, Überbevölkerung etc. ist Gottes letzte Antwort nicht eine finale Zerstörung, sondern das Neue. Die gesamte Apokalypse ist keine Drohung, vielmehr zeichnet sie das Hoffnungsszenario für alle die sich nach Gerechtigkeit sehnen. Und das Neue ist nicht Verheißung für die Frommen allein. Es gilt der ganzen Schöpfung. Kosmisch. Global. Persönlich.
Diese Hoffnung ist keine billige Vertröstung, weil sie sich in Gottes Wesen selbst gründet: Der auf dem Thron sitzt, ist der Allmächtige, der Schöpfer, der König. Seine Worte haben Macht. Seine Zusagen sind tragfähig. Und weil er in Jesus Christus Mensch geworden ist, spricht dieser Gott auch in unsere Wirklichkeit hinein. Nicht als ferner Herrscher, sondern als leidender Erlöser.
Keine Einladung, die Hände in den Schoß zu legen
Nun könnte man ja geneigt sein, sich dieser großartigen Hoffnungsperspektive derart zu überlassen, die Hände in den Schoß zu legen. Dies widerspricht dem bereits in der Schöpfungsgeschichte formulierten Auftrag, Weltverantwortung wahrzunehmen (Gen 2,15). In der Kraft des Heiligen Geistes dürfen und sollen wir dieser Aufgaben nachkommen. Die Trias des konziliaren Prozesses beschreibt diesen Auftrag in sehr guter Weise: es geht um Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Hinzu kommt der neutestamentliche Auftrag, Zeuginnen und Zeugen Jesu in dieser Welt zu sein.
Gerade als Kinder Gottes sind wir aufgefordert, diesen Auftrag umzusetzen und Gottes Hoffnung schon jetzt in eine von Neid und Hass, Krieg und Zerstörung geplagte und geschundenen Welt zu tragen.
Was sich junge Menschen wirklich neu wünschen
„Alles neu“ – das trifft einen Nerv. Natürlich ist da bei vielen der – nachvollziehbare – Wunsch auf Neues. Wer kennt diesen Glücksmoment nicht, z,B. ein neues technisches Endgerät auszupacken und in Händen zu halten oder das besondere Gefühl, mit einem neuen Kleidungsstück in die Schule zu gehen, eine neue Schultasche ändert die Motivation auf den Alltag zumindest für den Moment. Von Konsumkritik würde ich absehen. Sondern vielmehr dem nachgehen und auch Recht geben, dass Neues einen besonderen Reiz hat und schön sein darf.
Natürlich muss uns dabei bewusst sein, dass es viele junge Menschen gibt, für die „Neues“ schlicht nicht finanzierbar ist. Es ist wichtig, dass wir davor weder die Augen verschließen, noch resignieren oder uns distanzieren, sondern vielmehr darum kämpfen, soziale Ungleichheit in unserem Land und auf dieser Welt zu verändern. Sie schreit bis heute, vielleicht auch mehr denn je, zum Himmel!
Neben dem Wunsch nach materiell Neuem gibt es die Sehnsucht nach echter Gemeinschaft, nach einer Welt ohne Ausgrenzung. Nach Frieden – im Großen wie im Kleinen. Immer wieder wird von der „Generation Krise“ gesprochen: Klimakrise, die Pandemie und ihre Folgen, Kriege und damit verbundene globale Unsicherheiten prägen das Aufwachsen dieser Generation, die zugleich die Herausforderung kennt, mit den Folgen des demografischen Wandels umgehen zu müssen. Auch wenn sich dieser Wandel arbeitsmarktpolitisch sehr positiv auf die beruflichen Optionen junger Menschen auswirkt, wissen sie zugleich um die Last auf ihren Schultern, Rentenlasten oder die Pflege der schier übermächtigen älteren Generationen bewältigen zu müssen. Es braucht Trost- und Hoffnungsperspektiven. Die Jahreslosung bietet diese.
Und vielleicht gibt es auch die Sehnsucht nach einem neuen Ich, das nicht von Likes und Filtern bestimmt wird, sondern in dem ich ich sein kann.
Viele fragen nach Sinn, nach Orientierung, nach einem Grundvertrauen. Und die Jahreslosung lädt ein, genau hier anzusetzen: mit einer Verkündigung, die ernst nimmt, was Jugendliche bewegt. Mit einer Haltung, die nicht über sie hinweg spricht, sondern mit ihnen auf der Suche ist nach dem Neuen.
Diese Perspektive verändert alles. Wenn Jugendliche hören: Gott macht alles neu – dann kann das heißen: Mein Leben ist nicht festgefahren. Die Zukunft ist offen, und damit ist auch meine Zukunft offen – weil Gott sie gestaltet. Diese Einladung zum Neuanfang, die auch im Hier und Jetzt gilt.
Jene Verwandlung beginnt nicht erst am Ende der Zeit. Sie beginnt im Hier und Jetzt. Dort, wo Gottes Geist wirkt. Wo Menschen sich für Gerechtigkeit einsetzen, für Frieden, für Wahrheit. Die missio dei – Gottes Sendung – bedeutet: Wir dürfen mitwirken an der Erneuerung der Welt. Nicht als Reparaturbetrieb, sondern als Teil des Neuanfangs. Das ist eine starke Einladung, die auch als solche an junge Menschen ausgesprochen werden darf. Als Einladung, nicht als Aufforderung.
Gott arbeitet mit uns – nicht an uns vorbei. Deshalb ist Jugendarbeit kein Beschäftigungsprogramm, sondern ein Teil dieser großen Bewegung Gottes. Wo Jugendliche sich ausprobieren, scheitern, aufstehen, lieben, fragen, glauben – dort ist Gottes Geist am Werk.
Die Jahreslosung macht klar: das Reich Gottes ist angebrochen, aber nicht vollendet (Lk 17,21). Das ist durchaus schwer zu verstehen, fordert ziemlich Geduld – bei Menschen aus allen Generationen. Insbesondere in einer Gesellschaft, die die Ewigkeit aus ihrem Denken verdrängt hat, die sich nicht nur auf ein erfülltes und erfüllendes Leben auf der Erde konzentriert, sondern reduziert. Gottes Perspektive ist anders. Sie entgrenzt diese Begrenzung. Jungen Menschen zu helfen, dies besser zu verstehen, ist eine wesentliche Aufgabe christlicher Jugendarbeit. Und wenn junge Menschen selbst zu Hoffnungsträger*innen werden, sind wir zugleich eingeladen, sie zu ermutigen, Weltverantwortung fürs Hier und Jetzt wahrzunehmen.
Und sich für ein gerechtes, friedvolles, schöpfungsverantwortliches Handeln hier zu ermutigen, als gäbe es kein Neues.
Hansjörg Kopp, Generalsekretär CVJM Deutschland