Fundraising ist nicht nur etwas für die „Großen“

„Es ist immer möglich, wenn man daran glaubt und die Wiese entsprechend vorbereitet“

Spricht man mit Menschen aus kleineren lokalen oder regionalen Gruppen, Vereinen, Verbänden über das Thema Fundraising, bekommt man häufig die Antworten: „Lohnt sich nicht für uns, wir sind zu klein, wer soll sich das leisten können, wir haben ganz andere Sachen zu tun, wir haben keinen Kopf für so etwas usw.“ Ergeben sich dann aber finanzielle Problemstellungen oder Herausforderungen, bspw. ausgelöst durch wie steigende (Energie-)Kosten, Wegfall von wichtigen Spender/-innen, unvorhersehbar notwendige Investitionen o.ä., wird der Ruf nach dem Wundermittel „Fundraising“ schnell laut. Häufig werden dann meist hektisch Telefonate geführt, dringliche E-Mails geschrieben und nach Unterstützung gefragt, um die finanziellen Engpässe möglichst schnell zu beheben. Doch in seltenen Fällen hilft diese spontane Reaktion, insbesondere dann nicht, wenn die Thematik eher strukturell und unter Zeitdruck begründet ist.

Dabei ist mittel- oder langfristiges Fundraising immer und überall möglich. Und auch mit geringen Mitteln macht es Sinn, sich mit diesem Themenbereich auseinandersetzen und Möglichkeiten zu eruieren. Es sind gerade die vielen kleinen Vereine, CVJMs und Kirchengemeinden, in denen Fundraising oft in einem ehrenamtliches Handlungsfeld angelegt ist, was allerdings keinesfalls professionelles Fundraising und die damit verbundenen notwendigen, bspw. (finanziellen) Strukturen an anderen Stellen ersetzt.

Trotzdem gibt es viele mutmachende Beispiele, wie ein gut vorbereites und vernetztes ehrenamtliches Arbeiten, gerade auf lokaler Ebene, zum Erfolg führen kann. Fundraising ist wie eine (kleine oder große) Obstbaumwiese, die „jemand“ bepflanzen, hegen und pflegen muss, da das Wachsen dieser Früchte nicht selbstverständlich ist. Es macht Sinn, den eigenen Rahmen dabei gut zu definieren, um Enttäuschungen vorzubeugen und Erwartungen gleich von Beginn an realistisch zu halten.

Gerade kleine oder mittlere Organisationen haben oft viele (leider nur selten wahrgenommene Chancen) ihre Arbeit durch Fundraising oder/und  Kommunikation entscheidend nach vorne zu bringen, weil die Regionalität und der damit häufig verbundene persönlich-direkte Kontakt ein wichtiger und entscheidender Faktor sein kann - gerade auch dann, wenn dieser nachhaltig vor Ort gepflegt wird.

Diese Form der Spender/-innenbindung kann gerade zu Beginn die nicht vorhandene Struktur und finanziellen Möglichkeiten kompensieren, auch wenn es enormen Einsatz erfordert. Und ja, dass dann notwendige Verstetigen von erforderlichen Prozessen, der Aufbau von tragfähigen Strukturen oder die Datenerfassung, ist in solchen Zusammenhängen natürlich eine besondere Herausforderung für alle Beteiligten und wird oftmals nur durch den erhöhten Einsatz von besonders engagierten Personen vorangetrieben.

Die Form, die Intensität, der Einsatz von Mitteln und die Bandbreite eines möglichen Fundraisingformats hängt dabei immer auch davon ab, welche Funktion das Fundraising für den Verein, das Projekt hat. Ist es eher existenzsichernd (die gesamte Arbeit hängt von den Spenden ab und ist ohne undenkbar)- oder ist es eher die sog. „Kirsche auf der Torte“ und ermöglicht  vor allem zusätzliche, bisher unangedachte Projekte, während das normale Geschäft anderweitig gesichert finanziert wird.

Grundsätzlich erfordert der Einstieg ins Fundraising eine Bestandsaufnahme dessen, was an Mitteln und an Ressourcen bereits vorhanden ist und was sich dadurch an Möglichkeiten oder Zielen ergeben soll. Möglicher Invest (und realistisch erwartbarer Respons), die zeitliche Komponente, sowie eine notwendige Umfeldanalyse - so einfach sie auch sein mag - sind erforderlich, um realistische Einschätzungen zu erhalten und rechtzeitig entsprechende Weichen zu stellen.

Helfen kann hierbei, sich offen mit Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken der eigenen Arbeit auseinanderzusetzen, frühzeitig mögliche interne und externe Problemstellungen in den Fokus zu nehmen und dadurch realistische Ziele zu definieren. Wichtig erscheint hierbei auch, wie verständlich, nachhaltig und sinnstiftend die angebotenen Spendenthemen an potenzielle Spender/-innen kommuniziert und für welche Personengruppe diese konkret vermittelt werden sollen. Hilfreich kann es zudem sein, zu Beginn des Prozesses eine möglichst breit aufgestellte Projektgruppe zu initiieren, um die Arbeit auf mehrere Schulter zu verteilen, Überforderungen Einzelner zu vermeiden und dadurch verschiedene Expertisen ins Boot zu holen. Speziell für diese Form des lokalen Fundraisings werden unterschiedlichste Fortbildungen und entsprechende Fachliteratur angeboten.

Besondere Chancen für kleine örtliche Vereine: Friendraising

Fundraising ist, wie bereits beschrieben, gerade auf lokaler Ebene, vor allem „Friendraising“/ Beziehungsarbeit und besitzt, gerade durch den persönlichen Kontakt, die persönliche Begegnung, viele substanzielle Möglichkeiten und Chancen. Gerade diese besonderen Möglichkeiten werden häufig zu wenig ausgeschöpft, beinhalten jedoch meist beste Inhalte, um Spender/-innen langfristig und gezielt anzusprechen und zu binden. Die dabei anzuwendenden, vielseitigen Instrumente (persönliche Besuche, lokale Veranstaltungen usw.) sind vielfältig, durch unterschiedlichste Personen abzudecken und auf den jeweiligen Rahmen individuell, nach den bestehenden Möglichkeiten, abzustimmen. Auch hierzu gibt es unzählige Praxisbeispiele und Berichte in der entsprechenden Fachliteratur.

Vor der ersten Aktion zu prüfen: stimmt die Haltung?

Insbesondere die Haltung zum Fundraising, zu den möglichen Spender/-innen, das Wissen, dass Fundraising einen langen Atem braucht – das Verständnis der Wichtigkeit eines notwendigen Zeit- oder ggf. auch Finanzierungsansatzes, ist zu  Beginn grundsätzlich wichtiger, weil diese Haltung  das Fundament eines gelingenden Fundraisings darstellt und vor übereiltem, oftmals schnell verpuffenden Aktionismus schützt.

Daher eine kurze Fragerunde zur Reflexion: Wollen wir als gesamte Organisation, als Verein, als CVJM tatsächlich ein gemeinsames Fundraising auf den Weg bringen? Stellen wir uns dazu auch unbequeme Fragen oder lassen wir diese durch einen externen Blick zu? Lassen wir es zu, von Bedenkenträger/-innen zu überzeugten Optimisten zu werden? Informieren wir, was, wer, wie, wann und wodurch realistisch ermöglichen kann – welche Bedingungen, Konkurrenzen bei jedem vor Ort vorhanden sind; was anzupassen ist, um das Fundraising zu ermöglichen und was das verhindern könnte; welcher Invest welchen Respons befördert und wer bereit ist, aktiv an dieser Thematik mitzuwirken, auch um entsprechende Türen zu öffnen usw.?

Deswegen: lasst uns Obstbäume pflanzen

Fundraising ist immer und überall möglich, wenn der Boden entsprechend motiviert beackert, bereitet wird und die Bereitschaft zur Pflege der Obstbaumwiese nicht nur an einzelne Personen delegiert wird, sondern von der gesamten Gruppe, dem Verein, den Verantwortungsträger/-innen mitgetragen und zusammen gestaltet wird. Fangen wir an, Obstbäume zu pflanzen – es ist viel Frucht zu erwarten, gerade auch für den CVJM vor Ort!

Obstwiese